BGH stärkt Rechtsschutz im Nachprüfungsverfahren

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Vergabekammern können auch nach Ablauf der 5-Wochen-Frist über einen Nachprüfungsantrag entscheiden, wenn nach Ablauf der Frist keine sofortige Beschwerde beim Beschwerdegericht eingelegt worden ist.

Mit Beschluss vom 14.07.2020, Az. XIII ZB 135/19, entschied der BGH über die Frage, ob eine dem Nachprüfungsantrag stattgebende Entscheidung der Vergabekammer, die nicht innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des Antrags nach §167 Abs. 1 Satz 1 GWB oder innerhalb der durch begründete Verfügung nach §167 Abs.1 Satz 2 und 4 GWB verlängerten Frist getroffen und begründet wurde, auf eine sofortige Beschwerde hin aufzuheben ist.

Die Ablehnungsfiktion des § 171 Abs. 2 2. HS GWB gelte nur dann, wenn die Vergabekammer nicht innerhalb der 5-Wochen-Frist entschieden hat und die sofortige Beschwerde innerhalb der Notfrist des § 172 Abs.1 GWB eingelegt worden ist.

Damit bleibt Antragstellern nun die Prüfung des Nachprüfungsantrag auch nach Ablaufen der 5-Wochen-Frist, entgegen der einhelligen Rechtsprechung einer Vielzahl von OLG-Vergabesenaten, erhalten.

Mit seiner Entscheidung stellt sich der BGH gegen eine Vielzahl von OLG-Vergabesenaten (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 22. Januar 2001 – Verg 24/00, VergabeR 2001, 154, 156 f.; vom 5. September 2001 -Verg 18/01, VergabeR 2002, 89, 93, und vom 12. März 2003 -Verg 49/02, juris Rn. 28; OLG Celle, Beschluss vom 20.April 2001 -13Verg7/01, juris Rn.15; OLG Dresden, Beschluss vom 17.Juni 2005 -WVerg8/05, VergabeR 2005,812, 813f.; OLG München, Beschluss vom 4.April 2008 -Verg 4/08, VergabeR 2008, 665, 667), die die Auffassung vertreten, dass das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer mit Ablauf der 5-Wochen-Frist des § 167 Abs. 1 GWB beendet ist.

Der BGH stützt seine Entscheidung sowohl auf den Wortlaut der Vorschrift als auch dessen Stellung als auch Sinn und Zweck der Vorschrift sowie einer unionrechtskonformen Auslegung der Norm.

Die Ablehnungsfiktion des § 171 Abs. 2 2. HS GWB beziehe sich entsprechend des Wortlautes „in diesem Fall“ allein darauf, dass eine sofortige Beschwerde nach Ablaufen der 5-Wochen-Frist zulässig ist. Nicht hingegen beziehe sich die Formulierung darauf, dass der Nachprüfungsantrag nach Ablauf der Frist als abgelehnt gelte. Auch die Stellung der Fiktion ließe darauf schließen, dass nicht jedes Nachprüfungsverfahren, das nicht innerhalb der 5-Wochenfrist entschieden wird als abgelehnt gelte, da diese Fiktion andernfalls in Abschnitt 2 über das Verfahren vor der Vergabekammer und dort in der Vorschrift des §167GWB zu verorten sei. Die Gesetzesbegründung zeige ferner, dass dem Antragsteller eines Vergabenachprüfungsverfahrens mit § 171 Abs. 2 GWB ein Instrument zur Verfahrensbeschleunigung an die Hand gegeben werden sollte, mit dem er auf den Fortgang des Verfahrens einwirken könne und dass er zur Verfahrensbeschleunigung nutzen kann, wie die Verpflichtungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Schließlich gebiete auch das Unionsrecht eine Auslegung, mit der die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers im Vergabenachprüfungsverfahren entsprechend der Absicht des Gesetzgebers erweitere und nicht in bestimmten Fällen beschränke. Sodass eine unionskonforme Auslegung zu keinem anderen Ergebnis führe und die erfolgte Auslegung auch der Rechtsmittelrichtlinie entspreche.

Der BGH erweitert mit dieser Entscheidung den Rechtsschutz im Nachprüfungsverfahren, da nunmehr auch nach Ablaufen der 5-Wochen-Frist über die Nachprüfungsanträge entschieden werden muss. Eine Entscheidung durch Ablauf der Frist des § 167 Abs. 1GWB von Nachprüfungsverfahren besteht damit nicht mehr.